Donnerstag, 5. November 2015

Verpasste Gelegenheiten zur Turmaktivierung

In Turmendspielen spielt die Turmaktivität eine maßgebliche Rolle. GM Dworetzki hält sie für so wichtig, dass man dafür sogar bereit sein sollte „einen Bauern zu opfern oder seine Königsstellung zu verschlechtern“


         Flohr -Vidmar (1938)

Der weiße Vorteil ist augenscheinlich, da der weiße Turm weitaus aktiver als der schwarze Turm ist. Schwarz sollte versuchen, wenn irgendmöglich, ihn zu aktivieren. Aber erst einmal wurden die Könige ins Zentrum gebracht

Ke2 Ke7 2. Kd3 Kd6 3. Ta5!

Der Weißspieler umschiffte hier eine Klippe. Das naheliegende aber unachtsame 3. Kd4? hätte eine Turmaktivierung und eine Verbesserung der Bauernstruktur zugelassen: 3. … Tb8! (droht Turmgewinn mit Tb4) 4. Ta5 c5! ( der Bauer ist tabu wegen Tb4+) 5. Kd3 Tb6 und Schwarz hätte seine Probleme gelöst



3. ...Ta8 4. Kd4

Weiß hat nun die Zentralisierung erfolgreich durchgeführt . Als nächstes geschieht nun die dauerhafte Festlegung der Bauernschwächen a6 und c6

4. … f5 5. b4 Tb8 6. a3 Ta8

  
Wie Es sieht hier so aus, als sei bisher als mehr oder wenig zwangsläufig verlaufen, ohne mögliche Gegenchancen für Schwarz. Das aber stimmt so nicht!
  GM Dworetzki in seinem Buch „Die Endpieluniversität“ nachweist, hätte Schwarz hier mit 5. … Kc7! ( der König soll die Verteidigung des a-Bauern übernehmen) 6. Kc5 Kb7 7. Kd6 Te8! 8. Ta3 d4! 9. exd4 Te2


eine erfolgreiche Turmaktivierung durchgeführt. Bei genauem Spiel wird Weiß aber auch dann noch - wegen des d-Bauern und aktiven Königs - einen Vorteil behalten: 10. Tc3! Txg2 11. Txc6 Txh2 12. a4 g5 13. Tc7+ Kb6 14. Tg7! aber Schwarz wäre nicht chancenlos bezüglich eines Remis







Zurück zur Partie: 7. e4 fxe4 8. fxe4 dex4 9. Kxe4






... sich dadurch die Operationsbasis des Turmes (5.Reihe) und des Königs erweitert haben

9. … Ta7?

Dies wäre nun wirklich - nach Dworetzki - die letzte Gelegenheit auf ein Gegenspiel gewesen. Hier hätte Schwarz noch einmal die Chance auf eine Turmaktivierung gehabt: 9. … Kc7! (Die schon bekannte Idee, dass der König die Verteidigung des a-Bauern übernehmen soll) 10. Te5 Kb6 11. Te7 a5! 12. Txh7 axb4 13. axb4 Ta4 14. Tg7 Txb4+ 15. Kf3


angesichts des schwachen g-Bauern sähe die Lage weiterhin kritisch aus. Aber Dworetzki gibt hier folgende interessante Variante an: 15. … Th4! 16. h3 Th6! (dies gewinnt dringend benötigte Zeit) 17. Kg4 c5! 18. Kg5 Th8 19. Txg6+ Kb5 20. Tg7 c4!


Es droht nun Tc8 und der c-Bauer wird zur Macht. Hier müsste Weiß schon aufpassen, dass er am Ende nicht sogar noch verliert

Nachdem Schwarz aber seine beiden Chancen zur Turmaktivierung hatte verstreichen lassen, wurde er in der Folge einfach ausmanövriert

10. Kf4 h6 11. h4 Ke6 12. Kg4 Ta8 13. h5! g5 ( Der Bauer h6 ist nun eine bleibende zweite Schwäche) 14. g3! (nimmt das Feld f4 unter Kontrolle bezüglich eines etwaigen Tf8+ und Tf4+) ) Ta7 15. Kf3! Ta8 16. Ke4 Ta7 17. Kd4 Kd6 18. Ke4 Ke6




Hier nun nutzt Weiß die erweiterte Operationsbasis seines Turmes aus um die zweite Schwäche (Bauer h6 ) zu attackieren

19. Te5! Kd6 20. Te8 c5 (schon Verzweiflung angesichts des drohenden Th8) 21. Td8+ Kc6 ( … Kc7 22. Th8!) 22. Tc8+ Kb6 23. Txc5

mit baldigem Gewinn



Fazit: In dem gerade gesehenen Beispiel hat sich gezeigt, dass eine rein passive Abwartestrategie in schlechter stehenden Turmendspielen (und dies kann man wohl auch auf viele andere Endspiele übertragen) meist nicht die beste Remisstrategie sein dürfte. Eine rechtzeitige Turmaktivierung mit Gegenspiel - auf Kosten einer verschlechterten Königsstellung und/oder eines Bauern – dürfte in den meisten Fällen eine bessere Strategie sein.

mm

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